Mittwoch, 24. März 2004
Mausoleum
Heute abend in der U-Bahn sitzt wieder ein Grauhaariger mit Basecap & Rentnerbrille. Er liest in einem gelben Suhrkamp-Bändchen. Am Zoo steige ich um und warte einige Minuten auf die U7. Eine Maus läuft am Bahnsteig rum und eine ältere Frau kommt zu mir und raunt mir blinzelnd zu: Hier wohnt eine Maus!
Ja, sage ich, hier ist auch der Zoo, da gehört sie irgendwie hin. Pfiffig lächelt sie mich an und verschwindet dann im vorderen Wagen der U-Bahn.

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McDonalds Barfly
Tom fror. Es war schweinekalt in Göteborg, obwohl doch seit zwei Wochen Frühling war. Mit schnellen Schritten ging er auf das große gelbe M an der Straßenkreuzung zu, während er hastig an seiner Prince of Denmark zog. Seit kaum jemand mehr Zimmer an Raucher vermietete, hatte er kapituliert und rauchte nur noch draussen oder heimlich auf dem Klo, aber dann kam er sich vor wie ein kleiner Junge und der war er nun wirklich nicht mehr.

Das gelbe M war das einzige was noch geöffnet hatte in dieser Gegend und als er bestellt hatte setzte er sich an einen der kitschigen blauen Tische unter ebenso kitschigen gelben Lampen und dachte über sein verfluchtes sinnloses Leben nach, während er auf den Fernseher starrte. Was tat er hier? Sein halbes Leben verbrachte er damit von einer Stadt zur nächsten zu ziehen, und anderer Leute Probleme zu lösen, während er selbst die Nächte in drittklassigen Pensionen und Hotels verbrachte in toten Gegenden wie dieser hier und dabei immer fetter und träger und einsamer wurde. Die Mayonnaise schmeckte künstlich, viel zu süß, und eigentlich hatte er auf seinen Burger gar keine Lust gehabt, aber er hätte auch nicht sagen können, worauf er Lust gehabt hätte und so bestellte er das gleiche wie immer, einen Royal TS als Maximenu, große Cola, große Pommes. Auf MTV lief Kylie Minogue und danach wälzte sich eine dunkelhaarige Schönheit halbnackt über Betten, sie sang schwedisch, sie war einsam, und er hätte ihr gerne dabei geholfen, ihre Einsamkeit für eine Weile zu vergessen, aber er konnte auf die Entfernung nicht einmal ihren Namen lesen und wieder einmal bedauerte er, dass es bei Mcdonalds keinen Alkohol gab, er hätte jetzt gut einen drauf machen können, es war noch nicht spät, morgen wäre er ein wenig verkatert gewesen, vielleicht, aber was machte das schon, ihm war es egal, wenn er komisch angesehen wurde, in ein paar Tagen war er ohnehin wieder woanders, er war sich nicht einmal sich, wo, Malmö hatte er im Kopf, aber plötzlich schien ihm alles so unwirklich und er war sich mit einem Mal nicht mehr sicher, ob Malmö überhaupt dran war, schliesslich war er erst vor wenigen Wochen dort gewesen, aber sicher war er sich dessen auch nicht mehr.

Als er gehen wollte und hilflos den Abstelltisch für das Tablett suchte, zeigte ihm eine junge Angestellte dankbar wo es stand. Sie hatte eine gute Figur und ein nettes Gesicht und schien ihm ein kleiner Lichtblick in dieser trostlosen Gegend zu sein, er hatte sie vorher gar nicht gesehen und als er ging rief sie ihm zu: Danke und Schönen Abend!
Als er draussen war, sah er, dass sie im McDrive stand und er sie wohl deshalb nicht früher gesehen hatte und einen Moment dachte er darüber nach, sie zu fragen, ob er sie nach ihrer Arbeit auf einen Drink einladen durfte, aber dann schlug er den Mantelkragen hoch und den Nachhauseweg ein.

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