Tagebuch

Ich sitze im Tropenhaus und lausche den Vogelstimmen.

Ein kühler frischer Wind drängt in das Zimmer, als ich das Bürofenster öffne. Die grauen Jalousien klappern im Durchzug. Der Himmel ist bedeckt, es ist windig, nicht mehr Frühjahr, noch nicht Sommer. Die Situation erinnert mich an mein Studium und gestattet mir für einen Moment den Blick in eine Parallelwelt. Ich sehe mich in der Universität, morgens um neun öffne ich das Fenster zu meinem Büro - mein Name steht daran, darunter M.A. und "Wissenschaftlicher Mitarbeiter". Ich trage das gleiche Sakko wie heute, dunkelblau, von Zara, dazu Blue Jeans wie heute.

Am Morgen meines 35. Geburtstages wache ich früh, noch vor 6 Uhr auf. Ich bleibe eine Weile liegen, aber es ist hell draussen, ohne sonnig zu sein, die Vögel zwitschern und ich bin nicht mehr müde, da ich gestern bereits um 10 zu Bett gegangen bin - viel früher als sonst also. Dann greife ich mein Buch und lese, wie Gauss heiratet und sich über die Sprachwissenschaften mokiert und seine Kinder verliert. Ein Kapitel. Bis es wieder zu Humboldt und Bonpland übergeht. Ich stehe auf. Es ist halb sieben und sehr ruhig in der Wohnung. Ich lese den Artikel von Heidelberger Druck über den Brand Change bei Linde zu Ende, über dem ich gestern abend eingeschlafen bin, dann gehe ich in die Küche und setze einen Tee auf, einen friesischen. Ich werde ihn mit Zitrone und etwas Zucker trinken. Tee trinke ich nur selten. Auf dem Handy zwei Nachrichten von K und ein entgangener Anruf von A um 0:14. Am Rechner schreibe ich diese Zeilen, während der Tee zieht.

...

and in the end you're all alone. 03:54.

and no one's on line at skype.

Nach uns die sintflut bedeutet, dass sie hinter uns ist, obwohl wir sie noch nicht hinter uns gelassen haben, sondern sie vielmehr vor uns haben, obwohl sie uns nicht voran gegangen ist.