Dienstag, 27. Juni 2006
an den landungsbrücken raus
morgens vor fünf aufstehen um zum kundentermin zu fahren ist hart, aber der morgen ist schön. durchs fenster des großraumwagen schaue ich in eine goldgrüne welt, die mich wieder an jenen moment vor vielen jahren denken lässt, als ich morgens auf meine mitfahrgelegenheit zum sommerferienjob in der dachrinnenfabrik warte...

in hamburg regnet es, als wir ankommen, aber es klärt sich irgendwann und nach dme termin sitzen wir im royal meridien und schauen den jollen auf der alster zu. der zug nach frankfurt verbindet hamburg mit zürich und ich denke einen moment daran, wie es wäre durchzufahren, aber übermorgen bin ich schon wieder in berlin und dort freut man sich. man sollte gelegentlich nach hause fahren, wenn man schon nie ankommt.

link (0 Kommentare)   | kommentieren


Sonntag, 25. Juni 2006
Zeit ist kein Gegenstand
»Sie haben Kinder gern?«
»0 ja«, antwortete Kirillow, jedoch in ziemlich gleichgültigen Ton.
»Also lieben Sie auch das Leben?«
»Ja, auch das Leben; wieso?«
»Wenn Sie doch beabsichtigen, sich zu erschießen.«
»Nun und? Warum bringen Sie das zusammen? Das Leben ist eine Sache für sich und das andere auch. Das Leben existiert; aber der Tod existiert gar nicht.«
»Sie haben angefangen, an ein künftiges ewiges Leben zu glauben?«
»Nein, nicht an ein künftiges ewiges Leben, sondern an ein ewiges Leben hier. Es gibt Augenblicke, man gelangt zu Augenblicken, wo die Zeit auf einmal stehen bleibt und zur Ewigkeit wird.«
»Und Sie hoffen zu einem solchen Augenblicke zu gelangen?«
»Ja.«
»Das ist in unserer Zeit wohl kaum möglich«, erwiderte Nikolai Wsewolodowitsch langsam und nachdenklich und ebenfalls ohne alle Ironie. »In der Offenbarung St. Johannis schwört der Engel, daß es keine Zeit mehr geben wird.«
»Ich weiß. Das ist da sehr richtig gesagt, klar und genau. Sobald ein jeder Mensch das Glück erreicht hat, wird es keine Zeit mehr geben, weil sie dann nicht mehr nötig ist. Ein sehr richtiger Gedanke.«
»Wohin wird denn die Zeit versteckt werden?«
»Nirgends hin. Die Zeit ist kein Gegenstand, sondern eine Idee. Sie wird im Geiste erlöschen.«

(Dostojewski: Die Dämonen)



Fast acht Jahre ist es her, als ich Jürgen im Literaturhaus an der Bockenheimer Landstraße interviewte. Das Literaturhaus ist im letzten Jahr umgezogen und der Artikel erschien vor wenigen Jahren in einem Buch mit Texten von und über ihn selbst, die letzte dimension. Das letzte Mal, dass ich ihn traf, dürfte vor zweieinhalb Jahren gewesen sein. Ich hatte eigentlich einen Vorstellungstermin bei O., aber als ich schon in der Bahn saß, erreichte mich ein Anruf, dass O. krank sein. Ich rief also kurzerhand Jürgen an und fragte ihn, ob wir uns treffen wollten, er wollte und wir trafen uns. Im Cafe Laumer, auch auf der Bockenheimer, er wohnt irgendwo im Westend und bei dieser Gelegenheit stellte ich ihm den Stand des Raumagentenprojektes vor, das damals schon 2 Jahre lief, ich hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen, aber Jürgen meinte nur: "Das macht nichts. Ich habe mich längst daran gewöhnt, dass die Dinge ihre Zeit brauchen. Ich kann vieles ohnehin nicht chronologisch zuordnen." Das war ein Satz, der mir seitdem immer wieder durch den Kopf geht, und immer wenn ich ihn denke, denke ich daran, dass es (schriftlose) Völker gibt, die keinen Begriff der Geschichte haben, keine Jahre, keine Zuordnung der Ereignisse auf einem linearen Zeitstrahl. Für sie gibt es den Wechsel der Jahreszeiten, ein ständiges Entstehen und Vergehen, einen Kreislauf des Werdens und Sterbens. Geschichte aber kommt durch die Geschichtsschreibung, durch die Schrift also letztlich, die lineare Abfolge von Zeichen in der Zeit. In diesem Sinne verstehe ich Kirillows Worte, dass die Zeit "im Verstand verlöschen" wird, wenn jeder Mensch glücklich ist. Und wer möchte bestreiten, dass die Zeit, in Momenten des Glücks, aufgehoben ist? Dennoch - und das hätte wahrscheinlich weder Dostojewski, noch Tarkowski, der die Dämonen zu Beginn seines Aufsatzes über "die versiegelte Zeit" zitiert, bestritten: wollen wir die Ideen ändern, dann müssen wir zuerst die Umstände ändern, in und aus welchen die Ideen geboren werden...

link (0 Kommentare)   | kommentieren


Mittwoch, 21. Juni 2006
euphorie
wow, diesen leichten zustand der trance, nachdem man sich fühlt, als hätte man gerade einen zeitsprung gemacht, kannte ich ja schon von vor ein paar wochen, und diese lust, nach dem laufen, direkt weiter zu machen, hatte ich die letzten male immer. aber das heute... diese euphorie, die auch jetzt noch anhält, das gefühl, der frische wind die wolken am himmel der günthersburgpark die menschen darin die ganze stadt diese ganze erde könnten schöner nicht sein... meine normale laufzeit hab ich heute um mehr als das doppelte gesteigert, nicht bewußt, nicht mit druck. es war einfach da, diese lust, zu laufen und nicht mehr aufzuhören und irgendwann war es auch ganz leicht. als ich schliesslich doch aufhörte und mich im gras niederließ kam j vorbei, der die galerie wildwechsel nebenan betreibt (er hatte mir gestern aufs band gesprochen wegen des ausstellungstermins) und wir unterhielten uns übers laufen und so erfuhr ich, dass auch er lief, aber andere liga, ultramarathon, ab 80 km aufwärts... puh...

link (2 Kommentare)   | kommentieren


Samstag, 17. Juni 2006
Berlin
Während Angola die Mexikaner ganz schön ins schwitzen bringt und auch wir im 103 an der Falckensteinstr. immer noch am zerfließen sind, kühlt es draußen merklich ab. Der PKW der sich vorhin mit lautem Knall auf die Leitplanken kurz vor der Oberbaumbrücke geschoben hat, mit Deutschlandfähnchen aufm Dach, ist bereits wieder weggeräumt. Auf den Fotos der lachenden Passanten wird er bleiben. Wir verbringen einige Stunden vorm und im Cake und die Görlitzer Ecke beschert mal wieder nen netten Berlinabend. Dennoch, sollte ich nach Berlin zurückkehren, würde ich wohl in den Prenzlberg ziehen. Aber richtig geniessen kann man die Stadt ja eh am besten, wenn man nicht dort wohnt. So richtig Spass macht es nur als Gast, durch die Kastanienalle zu schlendern, im Schwimmbad in der Oderberger Fussball zu gucken, rund um den belebten Helmholtzplatz spätabends zu ziehen, am nächsten morgen die Prenzlauer Allee lang zur Marienburger zu laufen, dann nach Charlottenburg, Schuhe kaufen, von dort zur Gneisenaustr. und ohne übelste Verwünschungen entspannt festzustellen, dass der Laden vom Videodrom zum Heinrichplatz umgezogen ist, dann mit nem Bahnrad zum Hermannplatz weiterzufahren, sich mit Ray treffen und plaudernd zur Ankerklause zu tappen, dort zu essen und vor dem abendlichen Marktbesuch am Landwehrkanal erstmal zwei Stunden mit Freunden am Fraenkelufer unter Bäumen zu sitzen, den Schwänen und Kähnen zuzuschauen, um dann - U8/U2 - nochmal in den Prenzlberg zu fahren auf nen Döner und ne Erfrischung, bevor es im Sommerregen in einer mit gröhlenden und Ghettoblasterbepackten Punks überfüllten M10 (die alte 20) zur Warschauer zu fahren, wo die Punks - "alles was irgendwie nach Punk aussieht bleibt erstmal drinne" - von den allzubekannten Berliner Gesetzeshütern empfangen werden, während wir über die Oberbaumbrücke laufen um schließlich Zeugen jenes unfreiwillig komischen Autounfalls zu werden, dessen Spuren bereits wieder weggeräumt sind, als wir aus dem 103 kommen...

link (1 Kommentar)   | kommentieren