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Mittwoch, 10. November 2004
Wintermorgen
Am morgen liegt Schnee auf den Dächern der Autos. Die winterliche Kälte verdoppelt den gefühlten Radweg zur Arbeit trotz Mantel Schal Handschuh Mütze.

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Dienstag, 9. November 2004
Depart
Jedesmal wundere ich mich, dass ich mich morgens um 5.30 überhaupt auf den Beinen halten kann. Im Haus gegenüber ist ein Licht an. In dem daneben auch. Wenn man abends bereits gepackt hat geht es schnell. Kurz unter die Dusche zum vorübergehenden Wachwerden und dann wohlig in den Mantel gehüllt die paar meter zur Ubahn. Die mürrischen schnauzbärtigen Gesichter der Geschäftsreisenden in Wagen 7 haben das Potenzial einem die Gutemorgenlaune zu verderben. Ein zahnloser Cowboy shippendaled durchs Abteil. Ich hab ihn vorhin mit seiner Frau die Abfahrtszeiten studieren sehn. Cowboys. Das ist auch so etwas was so es nur in Berlin gibt.

Am Samstag war der Vermieter da. Einem Auszug steht nichts mehr im Wege, ausser der eigenen Sentimentalität. In der NEON gibts einen mehrseitigen Artikel: Welche Stadt passt zu dir? Berlin ist demnach die Stadt für Suchende. Frankfurt Zwischenstation. Nach Berlin London New York. Oder aufs Land. Ob ich nun aufhöre zu suchen?

Sophie Calle jedenfalls nicht. Sie sucht sicher immer noch nach Beweisen ihrer Existenz. So was wie der Observierungsbericht der Detektei, die sie 1981 beauftragte, sie selbst zu beschatten. Diese und andere Erzählungen gibt es derzeit im Martin-Gropius-Bau zu beschauen, in einer gut konzipierten Retrospektive, die den Besucher sich, lesend, regelrecht in das Leben der französischen Künstlerin schrauben lässt. Mit jedem Raum tiefer. Dabei treten die Leitmotive ihres Lebens immer deutlicher hervor und man beginnt all die Details wieder zu erkennen, die sie eingangs in einer Rauminstallation zusammengefasst hat. Was würde man wohl slebst wählen, hätte man ein Zimmer zu füllen mit Motiven und Erinnerungen?



Die subjektivistische selbstanalytische Werkschau der Calle nahezu kontrastierend ist das Atelier Carsten Nicolai, im Hinterhof der Galerie Eigen+Art in der Auguststrasse. Der rohe künstlich beleuchtete Raum ist bestimmt von der Schlichtheit und materiellen Aura der Werke die sich darin befinden. Auf einer Werkbank steht der Sound Visualizer, daneben diverse Apparaturen zur Klangerzeugung, I assume, schneeweisse Boxen mit schwarzen Lautsprechern. Auf einem anderen Tisch liegt das Spielzeugmodell ein Tarnkappenbombers. Daneben liegen Drucke mit geometrischen Mustern. Die Geometrie hat es Nicolai angetan. Künstlerforschermusiker. Den analytischen Blick hat er wohl aus der Landschaftsarchitektur mitgebracht. Vorne im Atelier, auf dem vordersten Tisch, an dem wir sitzen, steht ein Modell für die Ausstellung. Eine Form aus 12 gleichen Rhomben. Später einmal begehbar. Aus Nylonhaut. Darauf 12 kleine Lautsprecher. Ein iBook schickt in rhythmischen Mustern kurzes Rauschen darauf. Die CD mit diversem Material, die CN mir auf dem weissen iBook brennt ist scharz. Alles hier ist Schwarz oder Weiss oder eine Transparenzstufe dazwischen. Glas, Nebel, Milch. Alle Formen sind berechnet. Kreise, Quadrate, Polygone. Hier und dort das Logo von Raster-Noton, organisch, wie Graffitti eingeworfen. Eine Arbeit von CN heisst Perfect Square und I von der Schirn bemerkt passend, dass es sie an Byars erinnert. Wie bei Byars ist die Vollkommenheit der Nicolaischen Form und Bildwelt nicht unmenschlich nicht kalt. Nur irritierend. Den Betrachter auffordernd, hineinzugehen oder einen Schritt zurück. Zwischen Schwarz und Weiss treten Farben auf. Rot Grün Blau. Das wahrnehmende Subjekt wird zum Störfaktor, zum Geräusch. In einer Closed-Circuit Installation mit Kamera Bildschirm Lautsprecher bricht der Betrachter den Kreislauf, sobald er sich den Bildschirm näher betrachtet. Das hat was menschliches. Etwas menschlisches wie es die Science Fiction hat. Vieles was Nicolai macht ist unnahbar anziehend wie die Fundstücke der Stalker im Strugatzki Roman. Erst die Berührung lässt uns uns selbst bewusst werden. Und wenn dann alles gut gegangen ist wird gefeiert. Bis zum Morgengrauen, in das ich jetzt fahre, zweieinhalb Stunden vor Frankfurt.

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Freitag, 5. November 2004
Berlin
1
Ein Blick auf mein Handy signalisiert mir, dass ich in meiner Stadt bin: O2 City steht dort. Die Gesichter der Jugendlichen in der Ubahn sind Berlin Gesichter: kantig pickelig vor Kälte. Härter als im Süden. Ehrlicher vielleicht. Der Alexanderplatz ist zugig wie eh. Zwei orangene Kräne reißen ihr Spitzmaul gen Himmel. Routiniert gehe ich erst zum Eingang der U8, wo die Punks abhängen, bis ich daran denke, die U2 in den Prenzlberg zu nehmen. Jetzt auf eine Party kommen wird merkwürdig sein. Ankommen. K hat recht. Ankommen ist gut.

2
Am Bahnsteig der U2 ist einiges los. Die überlichen Berlintypen, aber spannend isses immer. Kunst ist mal wieder angesagt. Die Lärminstallation fortissimo lässt ohrenbetäubend einen Rennwagen durch die Ubahnstation fahren.

3
Der immer besoffene bärtige Engländer, der vor Jahren in der Prenzlauer Allee vom Balkon aus Publikumsbeschimpfung übte, als ich selbst noch dort wohnte, steigt mit einem Hooligan Schlachtruf in die U2 und spielt sein ewiges "Bouncin' Bouncin'" zur Gitarre. Ich hab ihn noch nie etwas anderes spielen hören.

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Donnerstag, 4. November 2004
Schilderklau
Heute morgen beim Wohnungssuchen in Sachsenhausen schloss ich mein Fahrrad an einem Verkehrsschild an. Als ich aus dem Haus kam, war das Fahrrad noch da, aber das Schild war weg.

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