Dienstag, 22. März 2005
Oberflächenspannung
Um Mitternacht war ich zu Hause. Ich ging zu Bett, löschte das Licht und sobald ich eingeschlafen war, begann es zu regnen. Es regnete ohne Unterlass die ganze Nacht hindurch und als ich wach wurde, am nächsten morgen, regnete es immer noch und ich schwamm auf einem endlosen Meer.
Allein auf einem hauchdünnen Laken war ich selbst ein Wassertropfen geworden, dem drohte, bei zu starker Bewegung seine Oberflächenspannung zu verlieren und eins zu werden mit dem Wasser um mich herum. Also lag ich regungslos da, still, unfähig, mich in die eine oder andere Richtung zu bewegen.
Mit der Zeit hörte es auf zu regnen, die Sonne kam hervor und ließ den Himmel wolken- und die Wasseroberfläche wellenlos werden. Orientierung war nun unmöglich. Die Sonne veränderte ihren Stand nur horizontal durch die Himmelsrichtungen und durch ihre Spiegelung im Wasser war nicht mehr aus zu machen, wo der Horizont verlief. Ich war gefangen in einem gekrümmten Raum ohne Anfang und Ende, nur von der Schwerkraft am Leben erhalten, die mir meine zerbrechliche tropfenförmige Oberfläche erhielt, und nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass in mir selbst ein weiterer Seebrüchiger trieb, orientierungslos, aber hellwach, gefangen und beschützt von mir und dem Wasser und dem Himmel um mich herum.

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