Samstag, 12. Februar 2005
The Aviator
Am Samstagmittag verlassen wir Frankfurt auf der A66 Richtung Wiesbaden um in Höchst zum größten Möbelhaus des Rhein-Maingebiets und ins Main-Taunus Zentrum einkaufen zu fahren. Beides ist ein Reinfall. Die einzigen Sofas, die einen nicht sofort mit dem Gefühl biederster Spießigkeit überschütten, sind Rolf Benz Sofas, zu denen aber niemand was sagen kann und die auch nicht wirklich unserer gewünschten Preiskategorie entsprechen. Das Main-Taunus Zentrum ist ein große zugige Ansammlung von Beton und es gibt hier nichts, was es nicht auch auf der Zeil gäbe. Am Ende kaufen wir gar nichts und das Stück Donau-Welle, das wir beim Bäcker bestellen, besteht zur Hälfte aus einer kompakten Buttercreme, die nichts mit der Vorstellung einer leichten Kirsch Schoko Sahne Kombination zu tun hat, wie sie der Gedanke an Donau-Well eigentlich verspricht.

Also bleibt nur noch das Kinopolis, ein Multiplex Kino, dessen Name Schlimmes befürchten läßt. Um 16:15 läuft

THE AVIATOR, USA 2005

in der Originalfassung, also immerhin etwas. Es ist immer windiger geworden, also keine schlechte Idee, den Rest des verkorksten Nachmittags im Kino zu verbringen.

Ohne Zweifel ist The Aviator ein amerikanischer Film. Die Geschichte Howard Hughes ist die Geschichte des american way of life. Die Geschichte eines Selfmademan, der sich als Kind geschworen hat, Filme zu drehen und Flugzeuge zu bauen und sich als junger Mann diesen Traum erfüllt. Mit eisernem Willen und rücksichtlos sich und anderen gegenüber. Aber immer im Glauben an seinen Traum. "I am supposed to be eccentric. But I am not a Liar." sagt er, als er wegen Kriegsgewinnlerei auf die Anklagebank gezogen wird.

Dieser Glaube aber ist es, der längst nicht mehr nur Amerika antreibt. Der Konflikt zwischen dem hemdsärmeligen Macher und dem Bildungsbürger, der im Film in jener Passage deutlcih wird, in der Howard Hughes die Familie seiner Partnerin Katherine Hepburn besucht, einer Horde intellektueller liberaler Besserwisser, dieser Konflikt ist nicht nur der neuerdings immer wieder auf die Tagesordnung politischer Gesprächrunden beschworene Konflikt zwischen Amerika und Old Europe. Es ist auch ein Konflikt, der innerhalb Europas täglich neu gefochten wird: zwischen Unternehmern und Gewerkschaftern, zwischen postkommunistischen Schwellenländern und übersättigten Sozialdemokratien.

The Aviator führ diesen Konflikt geradezu dialektisch vor: Visionen und Tatendrang treiben die Entwicklung voran, aber sie verlangen, dass ihnen alles und jeder untergeordnet wird. Den Machern wie Howard Hughes geht es dabei nicht um Geld. Es geht ihnen um die Verwirklichung der Idee. Zugleich aber wird deutlich, wie die Vision eines einzelnen nur auf dem Nährboden gesellschaftlicher Entwicklung gedeien kann. Der Krieg, von jeher Vater aller dinge, förderte bekanntermaßen nicht nut den wehrtechnischen Fortschritt bis hinzur Erfindung der Atombombe. Bereits der erste Weltkrieg trieb entscheidend den Aufbau der Filmindustrie und die Entwicklung der Filmtechnik voran. Die mediale Speicherung und Übertragung des Krieges wird selbst zur Waffe. Und umgekehrt funktioniert die Filmindustrie nach Regeln des Krieges.

Martin Scorsese ist es wieder einmal gelungen ein Geschichtsepos in Bilder und Bewegung zu bringen, das weit über seine biographische Dimension hinaus auf immer noch gültige gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge verweist. Als wir um halb acht das Kino verlassen ist der angekündigte Orkan bereits im Anmarsch. Wir steigen ins Auto und machen uns auf den Weg zurück in die leuchtende Stadt.

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